In diesem Text geht es überraschenderweise mal nicht um Hunde, und das ist auch gut so. Das fehlt nämlich gerade noch!
Es geht um – huch! – Sex. Ja, wieso das denn?!
Als 2015 der Deutschlandstart der Filmversion von Fifty Shades of Grey passierte, habe ich – das schwöre ich – zum ersten Mal davon gehört. Meine Freundinnen und diverse weibliche Verwandte überschlugen sich mit schwärmerische Adjektiven, jauchzend über die Verfilmung eines Buches, von dem ich ebenfalls nie zuvor gehört hatte, sorry, nicht so drauf geachtet, war nicht mein Thema, gewalttätiger Sex verpackt als Lovestory des Jahrhunderts.
Damit wollte ich ja mal nichts zu tun haben – wer träumt denn von sowas? Dominante Männer, die einem keinen Schritt allein mehr gönnen? Stalker? Schläge? Davon höre ich jeden zweiten Tag an der Arbeit, wenn sie heulend und hämatombunt vor mir sitzen, die Damen, so what? Und wie langweilig ist es bei euch im Schlafzimmer, Mädels, dass man nun mit Fesselspielchen und Augenbinden das ganze aufhübschen müsste? Euer Ernst?
Es war mir völlig suspekt, wie man einen vermeintlichen Sadomaso-Report so glorifizieren kann. In meiner Branche nennt man es „Straftatbestand“, genauer: Häusliche Gewalt und Stalking, wenn Frauen von ihren Kerlen verdroschen und kontrolliert werden.
Wenn morgen die nächste Frau heulend vor mir sitzt, nach viel gutem Zutexten Anzeige erstattet und unbedingt ins Frauenhaus will, rufe ich euch an. Oder zeige ihr mal das Buch, mit dem Tipp, sie soll sich doch mal bitte dem herrschenden Trend anpassen. Und ihrem gewalttätigen Meister.
Aus diesem Grunde wies ich Film und Buch weit von mir und verzog angewidert das Gesicht, sooft bei Prosecco und Torte wieder mal Mr. Greys Name geseufzt wurde (mittlerweile bin ich mir ja fast sicher, dass keiner von euch einen solchen Irren zu Hause hat).
Auch die Verfilmung des zweiten Teils der Trilogie von EL James, einer mopsigen Britin, die offenbar irgendwelche schiefen Machtverhältnisse zwangsthematisieren muss, ging restlos an mir vorbei. Ebenso wie das Buch.
Beim dritten Schuss war ich es dann, überfordert von all dem Grey-Gedöns, leid.
Im Kino – ich war dort wegen eines anderen Films, eines mehrfachen Oscar-Anwärters, wie ich gebildeter Mittelstandmensch noch unbedingt anmerken möchte! – strömten gackernd und kreischend Horden von jungen (und weniger jungen) Frauen an mir vorbei.
Das hatte ich bisher nur einmal erlebt, nämlich als Matthias Schweighöfer in unserem Cineplex war. Allerdings war die Klientel da doch deutlich jünger, gebe ich zu, meine Tochter war Teil davon (Schweighöfer war total nett und sehr lustig, fast so nett und lustig wie sein Kompagnon, Milan Peschl, by the way).
Die Mädels, die in FSoG stürzten, sahen alle aus, als wären sie verliebt und kurz vor der Klimax, genau hier, mitten in der hessischen Kleinstadt, abends um Acht. Ich nahm mir vor, die Sache im Auge zu behalten.
Drei Tage später dachte ich zufällig wieder dran und holte mir das Buch aus der Bücherei –misstrauisch beäugt vom Bibliothekar. Blasiert erwiderte ich den Blick. „Recherche“, sagte ich kühl. Das – nicht nur intellektuelle! – Schwergewicht nickte resigniert. Sowas kannte er wohl schon. Ich glaube, ich sank in seiner Achtung. Schade eigentlich, nach den vielen Jahren unserer Bekanntschaft.
Grob informiert über den Inhalt des Dreiteilers (google sei Dank) begann ich umgehend, zu lesen.
Auf der ersten Seite der Titelei – die Klappen des Taschenbuches (!) sind Werbung und lasziven Orchideenblüten à la Georgia O’Keeffe (nur halt eben als Foto) vorbehalten – grinst mir breit die Autorin entgegen. Eine Engländerin gehobenen mittleren Alters mit unvorteilhafter Pony-Frisur. Sie wirkt hausbacken und harmlos. Leider stellte sich heraus, dass der vermeintlich so brisante Text exakt so ist: hausbacken und harmlos.
Beginnen wir mit dem Wortschatz der Dame. Ich weiß ja nicht, ob es womöglich an der Übersetzung liegt. Aber wenn eine Schriftstellerin einen psychisch auffälligen, wenn nicht gar kranken Millionär beschreibt, und ihr wiederholt nur das Adjektiv abgefuckt einfällt (wie ist denn eigentlich die Übersetzung für abgefuckt…? Ach ja, fucked up. Wäre schön, wenn öfters mal fuck off zu lesen wäre, das heißt nämlich: Hau ab. Ja, hätte sie das mal früher gesagt zu dem Typ, dann wäre uns allen viel Stress erspart geblieben. Aber dann gäbe es natürlich wieder kein fünfteiliges Roman-Konglomerat, über das man nun lästern könnte ...), dann stimmt da etwas nicht.
Entweder gibt es in merry old England keine Synonymwörterbücher, oder, Gott bewahre, es ist Absicht.
Und das von unserer Protagonistin, einer Literaturstudentin, die Bücher aus dem Mittelalter liebt. Tja, nicht jeder spricht deshalb gleich in schönstem Minnevers.
Moment, jetzt guck ich erst mal nach.
Jessas, bin ich blöd. Steht im Duden: abgefuckt. Synonyme dazu wären zum Beispiel: abgewirtschaftet, erledigt, abgewrackt, heruntergekommen, marode, vergammelt, verlebt, verloren, in schlechtem Zustand. Iih. Wer will das denn neben sich.
Nun kann man schwerlich einen knackig jungen, wunderschönen, monströs reichen Firmenholdingboss als abgewirtschaftet oder marode bezeichnen, das leuchtet mir ja sofort ein. Aber wenigstens jedes zweite Mal was Anderes schreiben als das stereotyp-wischiwaschimäßige abgefuckt? Hm? Ich glaube ja, es ist der verrucht-derbe Wortteil „fuck“, der hier den Ausschlag gab. Dabei – seufz – gibt es so schöne Wörter, die viel mehr Raum für die Fantasie der LeserIn lassen, um den Zustand des Herrn Grey zu beschreiben: ausgelaugt, gebrochen, am Ende, ausgebrannt, irrgläubig. Aber auch: durchtrieben, gerissen, raffiniert, abgebrüht. Ja, da hätte was draus werden können. Vielleicht liegt es ja doch an einer lieblosen Übersetzung. Vielleicht mögen die Übersetzerinnen auch einfach keinen hausbackenen Pseudo-SM-Kram.
Die Heldin des Buches, Anastasia, macht bedauerlicherweise schon auf den ersten zehn Metern, pardon, Seiten einen vollkommen doofen Eindruck, da ist der ihr in den Mund gelegte eingeschränkte Wortschatz noch das kleinste Problem.
Sie soll für eine Studentenzeitung den Firmenmagnaten Grey interviewen. Es gelingt ihr in ihrem stressreichen Studentinnenalltag (über den man herzlich wenig erfährt, außer, dass sie nichts auf die Reihe kriegt und ihrem Auto beknackte Namen gibt) leider nicht, die paar Fragen ihrer weitaus clevereren (und knackigeren), aber leider erkrankten Mitbewohnerin vorher mal eben durchzulesen.
Es kommt, wie es natürlich kommen muss. Anastasia knallt vor dem CEO (dieses tolle Berufsbezeichung, dieses hochgestochene Akronym, das mich fürderhin auf ewig in Gelächter versetzt, sooft ich es lese, und das kommt oft vor, weil es flugs zwanzigtausend Nachahmerbücher gibt, die noch dämlicher sind) auf den Teppich. Sie und Christian verlieben sich, unsterblich. Er schlägt sie, sie genießt. Er schlägt sie ein bisschen mehr, sie genießt es nicht mehr. Und macht Schluss. Zwischendurch gibt es jede Menge Sex und irgendwas Albernes über ein paar vertragliche Regelungen, die dann aber bald keinen mehr interessieren.
Christian nennt das „Blümchensex“. Für die vor drei Tagen noch Jungfrau gewesene Anastasia ist es der Himmel. Er punktet mit ein paar Handschellen, Kabelbindern und was der Heimwerker so im Schrank hat. Anastasia, die jeden, den sie im Verlauf der Story kennen lernt, damit nervt, sie doch bitteschön Ana zu nennen, hat ein reges „Unterbewusstsein“ sowie eine „innere Göttin“. Beide geben bei jeder Gelegenheit, ob passend oder nicht, ihren Senf zu dem Ganzen dazu, was wirklich selten doof ist.
Handlung gibt es eher wenig, bis auf ein paar angeberische Millionärshobby-Veranstaltungen. Heli und so, Empfang, Party. Psychologische Finessen gar keine. Dafür aber Sex mit allen Klischees, in allen Lebenslagen und spektakulären Locations, vornehmlich aber im Aufzug, wo sonst.
Anastasia ist ein langweiliges Mädchen mit wenig Selbstbewusstsein und null feministischen Tendenzen, dem der schöne (klar ist der schön. Wenn er auch noch unansehnlich wäre, oh Gott! Mein Typ ist er jetzt nicht, aber die siebentausend Chicks im Kino teilen diese unpopuläre Ansicht natürlich nicht) Christian seltsamerweise verfällt.
Hey. Kennt der Mann keine richtigen Frauen? Muss es ein so unbedarftes Ding sein? Ach so, vielleicht machen ihm die anderen ja Angst? Hm. Psychologie. Verstehe schon.
Apropos Angst.
In jedem dritten Absatz kommt der Begriff „postkoitale Haare“ vor. Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn ich diese schwachsinnige Umschreibung lese, die wohl auf leidenschaftlichen Geschlechtsverkehr hindeuten soll – hinterher ist eben mal die Frisur verwuschelt. Anscheinend liebt Frau James diesen Ausdruck sehr, denn sie benutzt ihn inflationär. Naja, der Roman ist in der ersten Person geschrieben, und das Mädel Anastasia ist noch sehr jung. Wo soll es auch herkommen, so ohne Erfahrung, und wenn man nur einen ollen Liebesdrama-Schinken von 1891 als geistige Vorlage hat (Tess of the D’Urbervilles; Thomas Hardy, erschien – wer hätte das gedacht! – in einer dreibändigen Ausgabe und brachte um die vorletzte Jahrhundertwende alle Welt in Aufruhr. Mit unsympathischen Typen und Tess, einer hohlen Nuss.)
Noch schlimmer als das kommt nur noch die dröge Beschreibung der Sexszenen – ziemlich wenig Fantasie, immer die gleichen Blümchen, jede Menge Redundanzen.
Und dass der Mann ein Chamäleon ist. Er wechselt seine Launen im Minutentakt, also ungefähr genauso schnell, wie die Leserinnen die Seiten durchfliegen, und Ana steht ihm genaugenommen in nichts nach. Völlig unglaubwürdig und mit fatal reduzierter Körpersprache ist sie in der einen Sekunde in Tränen aufgelöst, dann beginnt sie im nächsten Halbsatz, sich über Nichtigkeiten zu freuen, und sofort im Anschluss packt sie die (komplett unglaubwürdige) Wut.
Frau James, so verhält sich kein Mensch.
Jedenfalls kein echter, und hier verdrehe ich die Augen.
Da meine Leidensfähigkeit schier unendlich ist (schließlich war ich auf Sado und Maso und was nicht alles gefasst), gucke ich mir den Film an. Cineastisch ganz nett, hübsche Bilder, schöne Landschaft, moderne, kühle, sterile Wohnungen, Seattle halt.
Wehmütig denke ich an die geniale Mutter aller Kontroletti-Beziehungen: 9 1/2 Wochen. Das war in den Achtzigern. Hat James bestimmt auch geguckt. Mickey Rourke ist nun auch wieder nicht mein Traumtyp, aber Kim Basinger, ja, die war sexy. Anastasia…. ist ein unbedarftes, blasses Mädchen.
Und dann der Typ. Ich bin ja so enttäuscht. Wie sieht der denn aus? Zu dünn, komisch angezogen. Humorlos. Ein Anti-Held, eher bemitleidenswert, weckt noch nicht mal den Mutterinstinkt in mir. Geschweige denn den, so einen flachlegen zu wollen. Okay, die Geschmäcker sind natürlich unterschiedlich, aber den Hype versteh ich jetzt echt nicht.
Unverdrossen kämpfe ich mich durch den zweiten Teil, schriftlich. Segelflieger und Hubschrauber werden ergänzt durch ein Luxusboot, einen Katamaran, praktischerweise auch gleich mit Chauffeur an Bord. Statt des Audi gibt es jetzt mal Saab, weil: „deutsche und schwedische Auto nun mal die sichersten“ sind. Ach du grüne Neune! Was sagt die amerikanische Autolobby dazu? Gott sei Dank fängt sie nicht von VW an, oder gleich dem Dieselskandal. Ach richtig, das Buch handelt ja von vor dieser Zeit.
Eigentlich warte ich das ganze Buch lang auf die Enthüllung von Christians Problem.
Und tatsächlich, da ist es!
Alle wissen, dass er als Kind neben seiner suizidalen, drogensüchtigen Mutter ausharren musste, bis Moms fieser Zuhälter die Tote und das arme Kind endlich gefunden und die Polizei ihn im Krankenhaus abgegeben hat, wo ihn die diensthabende Ärztin sogleich adoptieren kann.
Deshalb (also, wegen des Zuhälters) hat er panische Angst, sich an bestimmten Körperstellen berühren zu lassen, und läuft tagelang mit Anas hilfreichen Lippenstiftmarkierungen durch die Gegend, weil unsere Süße seine Grenzen auf ihn draufmalen durfte. Schließlich kommt es zu einer Art Showdown: Sie darf ihn anfassen, an den kritischen Stellen oberhalb des Sternums, und er bricht komplett zusammen.
Upps, huch, nee, war umgekehrt: Er bricht zusammen, und dann darf sie ihn anfassen. Das heißt, anfassen durfte sie ihn ja vorher schon, da, wo es dem Herrn genehm war – weiter südlich. Ach herrje. Na, man kann schon mal den Überblick verlieren!
Bei all diesen psychologischen Raffinessen ist vom Spielzimmer fast im ganzen Buch keine Rede mehr, dabei hatte ich mich schon so auf eine Steigerung gefreut, ich Schlingel.
Anastasia hat bisher also außer ein paar Peanuts nichts erlebt, aber wahrscheinlich wäre das auch gar nicht durch die Zensur gekommen. Stattdessen stöhnt sie noch ein bisschen und erfindet seltsame Worte, die dreigespaltene Ana mit ihren seltsamen Neben-Egos. Sie passt zu Christian, in ihrem ganz eigenen psychologischen Tohuwabohu.
Zwischendurch erscheinen alle Eltern, Geschwister, Freunde, die es überhaupt nur gibt, dann die Domina, und sogar eine durchgeknallte Ex, die alle gern hinrichten würde, was aber leider nicht passiert, obwohl das doch ein guter Twist gewesen wäre.
Zu Frau James‘ Verteidigung muss man sagen: Es gibt auch Lustiges. Der E-Mail-Verkehr, besonders dessen Kopf- und Fußzeilen, zwischen Ana und Christian ist superlustig. Zwar mehr Slapstick als Porno, aber lustig ist es.
Die sympathischste Person im Buch ist die Personalunion von Chauffeur, Security, Hausmeister und Butler: Taylor. Über dieses Faktotum hätte ich schon gerne mehr erfahren. Außerdem sieht er auch besser aus.
(Huhu, psst, Mrs. James: Bitte jetzt aber nicht auch noch Fifty Shades aus Sicht von Taylor tippen!)
Die Zielgruppe des genialen Hattricks dürfte maximal so alt sein wie die Protagonisten im Buch. Mr. Grey, Miss Steele: bitte werden Sie erwachsen. Bitte!! Werdet älter, dann ist es auch glaubhafter, aber Glaubwürdigkeit wird ja völlig überbewertet.
Genauso wie der Typ, der trotz merkwürdiger Arbeitsauffassung 12000 $ die Stunde verdient, nebenbei noch die Welt rettet und den Hunger global besiegt. Als unglaubwürdigen Sidekick gibt es eine Gynäkologin, die Hausbesuche macht, und einen Psychiater, der völlig berufsunethisch die Todsünde begeht, Ana vor versammelter Party-Hautevolee anzubaggern und auch sehr bald gegen seine ärztliche Schweigepflicht verstößt.
Das Buch nervt noch durch jede Menge Name-Dropping. Die Audi AG sponsort den Film doch hoffentlich?
Die anderen Anteile an der Fifty Shades GmbH halten vermutlich Apple und die Firma Blackberry. Hallo? Blackberry? Hm. Das war vor einigen Jahren ja vielleicht der letzte Schrei, und man kann ja so ein Buch natürlich auch nicht andauernd umschreiben. Das Buch ist schon ziemlich alt, daher BlackBerry, tja, anno 2011 war das eben noch stylish.
Ach, schreibt euch lieber noch ein paar E-Mails mit lustigen Headern. Egal auf welchem Endgerät.
Wie schon mal erwähnt (aber Wiederholungen sind ja im Zusammenhang mit Fifty Shades durchaus en vogue und völlig legitim), hat Frau James einen streng limitierten Wortschatz und wiederholt schmerzfrei sogar ganze Sätze. Das ist ein absolutes No-Go für einen Schriftsteller. Oder soll es einen gewissen Wiedererkennungswert haben? Einen Anker für Leserinnen, die so furchtbar dicke Bücher mit so vielen verschiedenen Wörtern nicht gewohnt sind? Schon irgendwie besser, man bleibt dann bei solchen, die man schon kennt, ja.
Frau James liefert übrigens ihre Musikwünsche für den Soundtrack praktischerweise gleich mit. Die Frau ist marketingtechnisch der Hammer. Ein Medium: Sie hat geahnt, dass das alles verfilmt wird. Die erwähnten Songs werden dann auf dem Soundtrack zum Teil in gewöhnungsbedürftigen Coverversionen wiedergegeben.
Ein Song fehlt: Fade to grey von Visage, aus den Achtzigern ist das. Heißt so viel wie: zur Bedeutungslosigkeit verblassen.
Klar kann man so auch Romane schreiben. Wahrscheinlich hat es nur den Nerv der Zeit getroffen, wobei ich wirklich nicht weiß, was das für Kaputte sind, die sich Kerle wie Christian Grey wünschen.
Das zweite Buch habe ich übrigens nicht mehr in der Stadtbücherei geliehen, sondern im Onlinehandel gekauft, für 97 Cent. Ich wollte mir die Blicke des Bibliothekars ersparen. Beim nächsten Mal leihe ich dann wieder Jane Eyre, Stolz und Vorurteil oder Wuthering Heights, da ist zwar auch dieser gefährliche, byronsche Männertyp vertreten, aber alles ist schon irgendwie geschmackvoller und weniger platt und kommerziell.
So very sorry, Mrs. James. Ich gönne Ihnen Ihren Erfolg, ehrlich, und es war auch wirklich vergnüglich zu lesen. Gelernt habe ich leider nicht viel, außer, dass es Begriffe gibt, die ich nie mehr in meinem Leben irgendwo lesen möchte. Postkoital führt die Liste unangefochten an. Und auch das Augen verdrehen habe in meinen eigenen Texten nur noch marginal verwenden können, zweimal oder so, auf geschätzt 1500 Seiten. Lesen bildet. Und prägt. Manchmal schreckt es sogar ab.
Ungleich interessanter wäre der Plot, wenn es sich bei den Protagonisten um die spitzfindige Kate und den geheimnisvollen Taylor gehandelt hätte. Beide sind sowohl optisch als auch intellektuell viel interessanter. Und viel mehr sexy. Doch, beide!
Sorry, Mädels, dass ich euch mit meiner Meinung behellige, aber ihr habt ja noch viel Zeit, gute Bücher zu lesen und gute Männer kennenzulernen, die nicht mit ihrer Kohle protzen, Lippenbekenntnisse abgeben und im Grunde genommen den lieben langen Tag nur die Frauen nerven. Findet bitte Männer, die für die Frauen, die sie lieben, etwas tun.
Kontrollsucht ist übrigens anders. Nachstellen, also stalken, ist eine Straftat (sofern es die andere Partei stört, natürlich). Bei Kontrollzwang handelt sich um ein ernstzunehmendes psychologisches Problem. Was unser Mr. Grey tut, ist Kontrollsucht in der Light-Version.
Alles in diesem Buch ist light. Wahrscheinlich kommt das daher, weil das formenlose Mädel ja die Geschichte erzählt und Mister Grey erst in einem geschickt lancierten Nachfolgeband zu Wort kommt! Endlich haben wir die Möglichkeit, seine kostbaren Gedanken zu erfahren – also, wann er warum wie und wo an Sex denkt. Falls es also jemanden interessiert – nicht mich, bis jetzt – natürlich können wir daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen, was Christian Grey unter tatsächlich harten Sachen versteht.
Wahrscheinlich lacht sich die echte BDSM- Szene über diese Beschreibung ihrer Welt schlapp. Wahrscheinlich beginnt die gerade da, wo das Buch mit seinen Hard Limits aufhört.
Das ultimative Hard Limit für mich ist die Wortwahl. Die anderen Reizwörter habe ich vergessen, zum Glück, aber ich fürchte, sie werden mir nach und nach wieder einfallen. Sie haben einen hohen Wiedererkennungswert und werden so wahrscheinlich in den meisten anderen Büchern nicht wiederzufinden sein, was ein Segen ist. Stellen Sie sich Jane Eyre vor mit postkoitalen Haaren oder Muskeln im Unterleib, die sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zusammenziehen.
Immer die gleichen Muskeln, viele Varianten hat Anastasia ja nicht. Na ja, sie ist ja auch noch unerfahren. Muskeln kommen halt von Training. Gutem Training.
Die klinische Sprache geht mir auf die Nerven. Was ist an einem Begriff wie „postkoital“ bitte sexy? Klingt irgendwie nach Pathologie und Darmkrebsvorsorge. Könnte man nicht beispielsweise „erhitzt“ schreiben, oder verwuschelt oder wenigstens zerwühlt (das Haar, jetzt mal), dann hätte man doch ein schöneres Bild vor Augen als etwas, das sich anhört wie eine Arbeitsplatzbeschreibung im Besamungszentrum für Paarhufer.
Das zweitnervigste (Himmel, jetzt fange ich auch schon an, künstlich-alberne Wörter zu erfinden – das ist er, der Fifty-Shades-Effekt) ist der eklatante Mangel an Synonymen.
Christian ist immer ein CEO. Er ist niemals ein Boss, ein Chef, ein Macher, ein Manager, er ist immer ein CEO. Die meisten Leserinnen haben wahrscheinlich erst mal Google bemühen müssen, um zu erfahren, was das ist.
Neben der offensichtlich kaum kräftezehrenden Beschäftigung als CEO eines Multikonzerns erfindet Christian, der bettflüchtige, weil albtraumgeplagte, CEO ganz nebenbei supertolle Sachen: solarbetriebene Handys für die Dritte Welt, und er kann den kompletten E-Mail-Verkehr eines kompletten Verlags kontrollieren. Alle Achtung! Das gelingt hierzulande nicht mal der Polizei. Blutjunge CEOs können das. Ungestraft, übrigens.
Gefühlte fünfhundert Mal sagen die beiden ich liebe dich zueinander, was natürlich schön ist für die Zwei, aber eigentlich jeder Grundlage entbehrt. Sie entwickelt annähernd Muttergefühle für ihn, und er liebt sie aus für niemanden nachvollziehbaren Gründen.
Das pünktlich wie ein Uhrwerk regelmäßig auftauchend Unterbewusstsein, welches Anas stichpunktartiger Beschreibung zufolge die Gestalt meines Bibliothekars zu haben scheint, nur eben weiblich, verkörpert offenbar die Stimme der Vernunft. Wohingegen die sogenannte innere Göttin aussieht wie Dita von Teese, sich burlesk räkelnd, anscheinend irgendetwas mit Anas unterentwickelten sexuellen Empfindens zu tun haben soll.
Jedenfalls müssen sich beide ständig ungefragt reinhängen. Es wäre zweifellos besser, wenn Ana mal ihren verschütt gegangenen Verstand reaktivieren und anwenden würde!
Auf der ersten Seite schreibt der Verlag, es gäbe eine frühere Version des Buches unter dem Titel Master of the Universe.
Hey, das ist doch mal ein geiler Titel! Eine Zeile aus einem aus einem guten Queen-Song! Science Fiction trifft Comedy: Flash Gordon! Stattdessen haben wir verschwurbelte Charaktere, ohne Tiefgang, dafür mit begrenztem Intellekt, obwohl einer ein ganz toller mächtiger CEO ist. Ach nö, sorry: Beide haben doch ein abgeschlossenes Hochschulstudium.
Insgesamt erinnert der Plot zunehmend an die frühen Ohnesorgtheater-Folgen: derb und ein paar wenige, noch dazu inkorrekte, Brocken von Psychologie.
Wie ist das denn aber nun mit der ganzen Gewalt? Christian will Ana furchtbar gern „versohlen“. Was für ein süßer, harmloser Begriff. Naja, die Szene spricht ja schließlich auch von „spielen“. Interviews mit BDSM-Profis überschwemmen die Presse und das Netz, und alle sagen: Grey? Absoluter Bullshit. Ana bekommt fürs wiederholte Augenverdrehen sechs Schläge mit der flachen Hand auf den Po. Merke: da nimmt wirklich keiner den anderen ernst.
Aaalso … da haben wir schon andere Sachen gehört und gesehen. Für einen Sadomaso-Roman ist das schon enttäuschend. Geben wir der Einfachheit halber (das passt so gut) wieder der Übersetzung die Schuld, denn auch für versohlen gibt es jede Menge Synonyme die vielleicht treffender gewesen wären. Oder einfach abwechslungsreicher, denn, mark me: Abwechslung ist das A und O.
Ein Softporno für sexuell Minderbegabte also. In der Szene, wo Christian ausflippt, bewegt sich die vermeintlich psychologische Tiefe immer noch in recht flachen Gewässern, aber immerhin oberhalb des bisherigen Pfützen-Niveaus.
Spaßig bei Fifty Shades ist es, die Rezensionen bei amazon zu lesen. 2800 Stück! Respekt. Etwa ein Viertel der Bewertungen ist schlecht, und entspricht der Wahrheit. Die einfallslose Sprache, die schon fast unverschämten Wiederholungen, die gazegleich dünne Story. Der Rest macht den Hype mit, und man erkennt an den Rezensionen den Intellekt der RezensentInnen. Was betrüblich ist. Aber: der Erfolg gibt Frau James recht – darauf hat die Welt hat gewartet.
Viele halten sich jetzt für völlig verrucht und angenehm verpeilt, weil sie ein paar Fesselspiele machen. Christians fürchterliche Verdorbenheit. Hallo. Ist das alles?
Diese ganzen Frauen träumen also von zero control? Alle Achtung. Was erlebt ihr denn sonst so? Nix? Respekt.
Und dann die Sache mit dem Safer Sex. „Kondom“ ist eines der häufigsten Wörter, und ein der am häufigsten vorgenommenen Tathandlungen ist: die Kondomverpackung aufreißen, zur Abwechslung gern mal mit den Zähnen.
Uh. Jetzt aber.
All diese Widersprüche. Da will sie ihn bedingungslos lieben, und im nächsten Satz zählt sie auf, was er alles an sich ändern müsste.
Ungefähr 180 Mal vergleicht sich die blöde Nuss die hübsche Ana mit Ikarus. Ein blöder Vergleich, denn der hatte wenigstens etwas
bahnbrechend Neues erfunden. Ana erfindet gar nichts.
Sorry, liebe Mrs. James, aber ich kann an Ihrem Christian Grey keine 1000 Facetten erkennen, auch keine 50.
Zehn vielleicht. Wenn‘s hochkommt.
Okay, fünf (mal kurz überlegen: stinkreich, unsicher, motzig, launisch. Manchmal jungenhaft), und Ana kommt leider sowieso irgendwie nur zweidimensional rüber.
Basiswissen für Romanautoren: Konkludenz. Konkludent ist etwas, wenn es logischen Schlüssen folgt, nach dem einfachen Muster „wenn-dann“ oder kurz „weil“.
Sowas gibt es hier nur in ganz rudimentären Ansätzen. Obwohl – irgendwie dann doch. Mea Culpa! Weil Ana keinen Bock hat, sich verprügeln zu lassen, legt Christian seine tief verwurzelte Neigung schnellstens beiseite. Geht doch! Oder – auch wieder nicht…
Er ist so – unentschlossen. Er hat nie Alpträume – plötzlich doch, sobald es in den Kram passt. Er weint nie – plötzlich doch, um die Szene zu irgendeinem gefühlsduseligen Abschluss zu bringen. Oder vielleicht hat James auch einfach vergessen, dass sie zuvor andere Prämissen hatte.
Er will keinen normalen Sex – plötzlich nur noch, damit sie ihm nicht wieder abhaut, das knochige Hascherl. Sie ist aber wenigstens genauso flatterhaft. Können die nicht mal bei den Parametern bleiben, die ihnen in die Charaktere geschrieben wurden? Entwicklungen sind ja klasse, aber doch nicht diametral entgegengesetzt!
Solche Klippen umschifft Frau James gern in Blockbuchstaben und ein-Wort-Sätzen: DU.GEHÖRST.MIR.
Wow! (in Kursivschrift) wird auch immer mal wieder gerne genommen. Ob Frau James ein Schreibprogramm hat? Mit Worthäufigkeitszähler?
Gruselig. Vor allem in semantischer Hinsicht.
Christian ist ein schwer gestörter Typ – und den bezeichnet unser kleiner naiver Ikarus-Fan als helles, strahlendes Licht. Ja, okay, sie ist verliebt. Darf sie auch. Ist ja schön, finde ich gut! Und er, dass er endlich die eine findet, die ihm alles wieder grade biegt. Außerdem funktioniert das auch gut, in zehntausenden von Plots, von denen einige auch wirklich nachvollziehbar und schön sind.
Für Fifty Shades Band 4 gibt es eigentlich nur einen möglichen Plot, und der beinhaltet zwingend einen Mord.
Weite Strecken des Bandes Nr. 2 ähneln Gesprächen, wie man sie vielleicht in der Cafeteria einer Klapse belauschen könnte. Dialoge aus dem Baukasten, unnötig und leer, langweilig und hohl. So spricht kein Mensch. Jedenfalls keiner, der die Liebe eines anderen erringen will. Okay, vielleicht nach zu viel Gras.
Aber alles, wirklich alles führt zu Sex und „O, Ana!“
Und wer hätte es für möglich gehalten, dass jemand in einem in deutscher Sprache erscheinenden Roman, wenngleich auch einem Softporno, die Worte „sabber lechz gier“ abgedruckt erscheinen?! Das ist für mich das Highlight. Okay, es geht (wieder mal) um einen Neuwagen, deutscher Fabrikation, aber:
Wow!
Klischee über Klischee. Das Glitzern seiner Augen ist immer animalisch, oder aber (Variation!!) wie flüssiges Silber.
Ziemlich viel Akrobatik gibt es auch – der Kerl muss Bauchmuskeln haben wie ein Expander.
Und (Achtung, Zitat!!): „ein Grinsen, von dem er weiß, dass es jedes Höschen feucht werden lässt?“
Bitte, nein.
Bitte, bitte: nein.
Und „uterusartige Atmosphäre“ ist echt die am allerwenigsten inspirierende Beschreibung der Welt, zumal es auf die Tapete gemünzt ist: ochsenblutrot.
Bäh. Igitt. Ich rieche es förmlich: Kupfer, der Geruch von gerinnendem Blut. Und schwupps ist sie futsch, die dünne Atmosphäre.
Das ganze Ding ist dank der vielen Wiederholungen (würde man die weglassen, wäre die Serie mit all ihren Anhängseln nur halb so umfangreich) und der eingeschränkten Wortwahl mit bemerkenswert wenig Aufwand geschrieben. Money for nothing. Genial. Dazu gibt es der Einfachheit halber mehrere Variationen des immer gleichen Themas: Jemand denkt an Sex, aha.
Wenn Frauen dann die schon bekannte Story aus männlicher Sichtweise schreiben, geht naturgemäß nicht alles auf. Nicht mal, wenn die meisten Leser wohl doch eher einfach gestrickt sind. Früher gab es Groschenromane – heute Fifty Shades of whatever, man muss ja mit der Mode gehen.
Doch ja, ich habe es auch gelesen. Okay, nicht jede einzelne Seite, aber doch die meisten. Weil ich neugierig bin und Trends verstehen will, und deshalb wirklich dem Gedöns um Herrn Grey und Frau Steele nicht folgen kann. BDSM (= häusliche Gewalt mit einer seltsamen Lustkomponente und zig Variationen von positivem und negativem Schmerz, oh Mann) ist leider völlig unglaubwürdig für jemanden, der von Berufs wegen in schöner Regelmäßigkeit mit Gewalt zu tun hat. Und für die weitaus meisten von uns wäre es der absolute Horror, 24 Stunden am Tag einem anderen Menschen zur Verfügung stehen zu müssen und den freien Willen somit quasi an der Tür abzugeben.
Aber bei so einem flotten CEO geraten Errungenschaften wie Emanzipation und wahrscheinlich auch das Frauenwahlrecht, die Abkehr von der Prügelstrafe und dem Korsettzwang eben schon mal in Vergessenheit, ist ja auch nicht so wichtig.
Glücklicherweise ist Christian aber ja kein richtiger Perverser, sondern nur ein bisschen fehlgeprägt, was das ganze schon wieder ad absurdum führt. Und er lässt sich ja auch so schnell eines Besseren belehren, der brave Junge. Äh, CEO. Soviel Zeit muss sein.
Den LeserInnen, die sich nun für völlig abgefahren und so verrucht und sensationell fortschrittlich halten, rufen wir gehässig zu: Das ist es nicht, was ihr wollt. Kontrolle über und Gewalt an Frauen ist nichts, was sich die Durchschnittsfrau wünscht.
Und somit haben sich die ganzen Leserinnen einen Mordsbären aufbinden lassen. Ein bisschen Fesseln, Spielchen mit Handschellen in blutroten Wänden und schicke schwarz-rote Schlafbrillen sind noch lange kein BDSM, denn, was das wirklich ist, wollt ihr Lieschen Müllers gar nicht wissen, und schon überhaupt nicht am eigenen Leib erleben. Ebenso wenig, wie all die bad boys, die dem CEO auf dem Fuße folgten, der Frauentraum sind.
Liebe Autorinnen (Männer scheinen so was nicht zu machen, die positionieren sich gleich klar in der Splatter-Ecke. Oder so)! Denkt ihr daran, dass Nachwuchsleserinnen sich an solchen Plots orientieren und den Verlauf so einer Geschichte für bare Münze nehmen? Ich kann euch nach einigen Jährchen Berufserfahrung versichern, dass das Rehabilitieren von Kriminellen durch die Liebe einer jungen, unerfahrenen Frau in 98,9% der Fälle nicht klappt.
In 98,5 Fälle wird die Frau von dem Typen zerstört; ob körperlich oder psychisch, spielt erstmal keine Rolle. Ich finde es fahrlässig, das zu verniedlichen, wenn nicht gar zu verherrlichen. Jetzt kommt wahrscheinlich gleich das Argument, dass eure Protagonistinnen stark sind, obwohl eindeutig jünger als 20, und noch nichts in Ihrem Leben erlebt haben, kein Geld, keinen Job, aber kaputte Autos haben und keinen Plan, wie dem abzuhelfen sein könnte, außer den mit diesem grandiosen, aber etwas schwierigen Typen. Darauf möchte ich entgegnen, dass starke Frauen sich nicht in kleinkriminelle Versager verlieben (höchstens in mächtige CEOs – „brüll“).
Klar ist das Fiktion. Aber bitte: wer will sich denn vorstellen, von einem Drogenhändler vergewaltigt zu werden, auch wenn er noch so cool und attraktiv und so bad boy ist?
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass eure Fiction ein kleines bisschen mehr der Realität und auf diese Weise etwas weniger der unfreiwilligen Komödie entspricht, die ihr ja gar nicht schreiben wollt. Jedenfalls hoffe ich, dass keiner Komödien über vergewaltigende Drogenhändler schreibt.
Klar sind mit beiderseitigem Einverständnis viele Dinge möglich, die anderen vielleicht komisch vorkommen. Das gibt es aber nicht erst seit Christian Grey. Ich hätte es schöner gefunden, wenn die beiden eine erwachsene Beziehung haben, aber wahrscheinlich hat sich Frau James gedacht, dass niemand die wirklich perversen Sachen lesen will – jedenfalls nicht, solange Bücher in Massen verkauft werden sollen, und zwar oberhalb der Ladentische.
So gesehen ist das alles vor allem ein geschickter PR-Gag – und weniger eine Liebesgeschichte.
Jetzt hab ich natürlich noch den dritten Teil vor mir. Es wird geheiratet, wie man hört, und Nachwuchs gibt’s auch.
Oh weia.
Und dann kommt’s: Frau James schreibt Anna ein Profil auf den langweiligen, aber netten Leib. Sie zeigt Ecken und Kanten und Zähne, als die dralle Architektin den CEO an- und Ana das Wasser abzugraben versucht. Da wird sie mir doch noch sympathisch. Also, die Ana.
Der Lippenstift, den sie trägt, nennt sie „nuttenrot“. Muss man sich so herabwürdigen, oder soll das irgendwie eine nicht vorhandene Lässigkeit betonen? Gar ein Witz sein? Okayyyy....
Gleich mehrfach (da sind sie wieder, die hässlichen Redundanzen. Glaubt EL James, wir kriegen diese Perlen der Schriftstellerkunst sonst nicht mit?) spricht Ana die folgenden Worte: »Sieht so aus, als würdest du dich freuen, mich zu sehen.“
Ah, das Klischee mit dem Revolver in der Tasche. Ich meine, die selige Mae West hätte diesen Spruch zuerst verwendet, vor 80 Jahren ungefähr. Seitdem wurde das so oder ähnlich hundertfach gesagt. In 50SoG schon allein zwanzig Mal.
Ach, mit Sprache kann man so viel machen! Und so viel Macht ausüben. Die Technik beweist es: Ich pflege meine Notizen in ein Sprachprogramm zu sprechen. Die automatische Texterkennung macht „Würstchen“ aus dem Namen des Hauptakteurs. Da muss ich doch lachen.
Das kommt garantiert daher, weil Ana so hohl ist und Christian so flach.
Ach, EL, Liebste. Ich habe immensen Respekt vor diesem absolut geilen Veröffentlichungs-und Marketingkonzept, da muss man erst mal drauf kommen. Fünf Einzelbände! Respekt! Klar bin ich neidisch. Aber nicht auf den Inhalt. Das kann ich definitiv besser.
Da schreibt sie drei Bücher aus Sicht der kleinen Ana, zwei aus Greys. Allein, die E-Mails eins zu eins zu übernehmen, ist ein genialer Schachzug - die Frau brauchte nur 100 Seiten frei zu schreiben und konnte sich dabei Seite für Seite am Plot IHRES EIGENEN Buches entlang hangeln, copy & paste, zack, fertig!
Überhaupt, Formatierung. In Christians Buch ist wirklich die größte Unverschämtheit, in SPERR.BUCH.STABEN zu drucken. Kategorischer Imperativ im Buchsatz. (Andere Autoren brechen sich einen ab, Gefühle darzustellen. Lasst das doch mit all der lästigen Mühe, nehmt einfach das gedruckte Äquivalent zum verbalen Zusammenfalten.)
Die Handlung… naja, es geht halt um Sex und um das, was man sich auf dem englischen Land unter BDSM vorstellt.
Die Szene mit dem Vermissten, was hätte man daraus machen können! Wenn man eben nicht nur fix fünf Normseiten heruntergehackt hätte. Der Heli schmiert ab! In den Bergen Oregons! CG rockt das, klar, in bester MacGyver-Manier, und taucht aus fast eigener Kraft, nur schwach ramponiert, in seinem Penthouse auf. Ganze Family versammelt, alles heult.
Er gibt eine banale Erklärung.
Die Wirkung …
…verpufft.
Jeder weiß: das hat die jetzt so da rein geschrieben, um mal etwas Action zu bringen. Also, außerhalb vom Schlafzimmer, egal, ob dem hübschen oder dem schlachthausroten, wo die ganzen heißen Teile mittlerweile draus verschwunden sind, weil die süße Doofe ihn, den mächtigen Global Player, natürlich längst rumgehoben und rausgequatscht hat aus seiner einzigen Besonderheit.
Gibt es denn keinen Lektor? Und wenn, was ist los mit dem? Es muss doch mal irgendwem aufgefallen sein!
Dafür gibt es Übersetzer. Der Übersetzer ist gleich ein ganzes Team. Was sagt es über ein Buch aus, wenn gleich ganze Heerscharen von Übersetzern ranmüssen? An der Komplexität der Sprache kann es nicht gelegen haben.
Diese Fehler. „Mache mich an … zu schaffen“ (na, an was wohl). MIR!! Es muss MIR!! heißen! Merke: Lektoren sind nicht alle gleich gut. Übersetzer auch nicht.
Erster Kritikpunkt: Alles im Präsens geschrieben, 1. Person Singular. Tagebuchstil. Bäh.
Es gibt Redundanzen, Redundanzen, Redundanzen. Zum Beispiel: Premieren über Premieren. (Definition: Premiere. Substantiv, feminin [die]; erste Aufführung eines Theaterstücks, Films.)
Für die dröge Ana ist schon eine SMS eine Premiere. In Film 2 darf sie dann ein IPhone haben. Yippie, Premiere! Der 2. Film ist richtig nett, weil nämlich die ganzen Plattitüden wegfallen. Der Film ist eindeutig besser als Frau James Geschreibe.
Übrigens dient Steve Jobs’ Rede in Stanford dem Mr. Grey offenbar als Inspiration, wenn auch selbstredend ohne die visionäre Kraft von Mr Apple, das hat die Autorin leider auch verpatzt.
Aber ich möchte auch etwas Positives erwähnen: Thomas Tallis. Eins muss man neidlos anerkennen, Mr Grey und Mrs James: Ihre Musikauswahl ist göttlich.
In Band 3 relativiert sich die grauenhafte Schreibe endlich. Weniger dusselige Göttin, weniger blödsinniges Unterbewusstsein. Mehr Handlung: Schüsse, Verbrechen, eigener Kopf. Mehr erwachsen. Aber Ana ist ja jetzt auch schon 22!
Boah.
Ich glaube fast, es ist das Alter, dass die Sache so unglaubhaft macht. Wäre sie dreißig, fünfunddreißig, sähe die Sache vielleicht anders aus. Dem Girlie mag ich nicht glauben. Der beste, innovativste Satz der ganzen Serie kommt in Band 3, und er ist denkbar kurz: »direkt neben Atlantis« lautet er.
Im 3. Teil wird Ana erwachsen. Was man vor allem daran erkennt, dass nach dem A3 nahtlos der R8 folgt (die Modelle dazwischen kamen wohl nicht in Betracht? Die Palette der Ingolstädter ist groß! Und schön!). Womit sie auch gleich mal schön herumheizt. Was kriegt sie zum 23.? Ein Space Shuttle?
Ja, ich habe es sorgfältig gelesen. Man sollte Bücher nicht so kritisch lesen. Zu meiner Beruhigung bin ich nicht die einzige, die das tut. Das Internet ist voll von Abhandlungen, Charakterbetrachtungen, Sezierungen. Und Schelte, nicht zu knapp. Über 50SoG werden vermutlich bereits Abituraufsätze geschrieben.
Obwohl, der Christian … »Ich werde dich jetzt nehmen«, sagt er immer, vorher.
Was soll das? Vorfreude steigern? Bei wem denn? (Oh Mann. Tu’s halt. Nicht so viel quatschen.)
Oder die Vorschau: „Wir werden es ganz langsam / schnell / hart / von hinten machen.“ Tja, da weiß man, was man hat. Klinisch. Wie bei der Magenspiegelung. Welche Frau will denn Gelaber, wenn’s zur Sache geht?
Im dritten Band hat sie’s gemerkt und schreibt zur Abwechslung: „Was soll ich bloß mit dir machen?“
Sag mal, James, ist das ein running gag? Weiß der das denn immer noch nicht?
Was Grey auch gern macht: Höschen zerreißen. Junge, zerreiß mir einmal einen meiner La Perla-Slips, und du lernst mich richtig kennen!
Für englische Damen offenbar einer der Gipfel der Pseudo-Erotik. Andererseits hat sie auch ein ganzes Ankleidezimmer voll. Aber erst neuerdings! Das Mädchen wird doch wohl ein paar Werte haben!
Lieblingsredewendung: »Ich will.« Was der alles will. Okay, er hatte früher rein gar nichts zu wollen, aber … selten fand ich jemanden so bedauernswert wie diesen armen reichen Mann. Wäre es nicht spannender, Mrs James, dem Kerl eine Entwicklung zu gönnen? Trotz Dauertherapie und Ana ruckt es bei ihm nicht so richtig.
Einziger Sympathiepunkt bei Grey: dass er keine andere Frau will, dass ausschließlich Ana im Fokus ist. Übrigens hat sich ein amerikanischer Blogger die Mühe gemacht, einen Artikel über die guten Eigenschaften von Christian Grey zu schreiben, und ich stimme dem fast uneingeschränkt zu. Es ist Ana, die mir nicht gefällt.
Mein armer Christian, greint sie ein ums andere Mal. Jemand nennt die Definition des verlorenen Junge aus Peter Pan. Ach, du große Güte!
Dann endlich kommt sie, die bahnbrechende Enthüllung, auf die wir alle 5 Bücher lang gewartet haben: „Ich bin Sadist.“ Gähn. Tja, das haben wir uns nun fast schon gedacht., ungefähr auf Seite zwo. Fällt niemandem auf, wie unglaubwürdig der Macker ist? Echt jetzt? So sind Sadisten? Da hält die Literatur aber ganz andere Kaliber parat.
Spannend wäre gewesen, wenn bei der Tour jemand komplett ausrastet, ums Leben kommt, autoerotischer Unfall, Grey den Zuhälter trifft und abmurkst, ein Brief der Mutter (upps, pardon, der Crackhure) auftaucht, Ana den R8 vor den nächsten Handymast setzt oder jemand die doofe Leila in der Badewanne ertränkt. Sowas halt. Twists.
Indes, Grey hat mehr Potential als Anastasia. Dass Greys Gedanken viel schwerwiegender und komplexer sind als die von Steele, sieht man schon daran, dass es eines Teams von 5 Übersetzern bedurfte.
Alles Frauen.
Und immer dieses name dropping: Ben & Jerrys, Audi, Blackberry, Saab, MacBook, die halbe Produktpalette von Apple. Bei so viel Sponsoring dürfte es ein leichtes sein, ein Buch zur Veröffentlichung zu bringen.
Egal. In Ingolstadt in der Vorstandsetage steht die Trilogie bestimmt auch im Regal, da überschlagen sich jedenfalls die CEOs vor Begeisterung.
Sind sie ein Traumpaar? Ana, deren verbale Ausdrucksmöglichkeiten genauso begrenzt sind wie ihre dämliche unterlippenkauende und augenverdrehende Mimik, die zu Recht sanktioniert wird, wenn auch äußerst ermüdend. Und Christian, dessen erotische Trigger trotz aller Sachkenntnis der diversen Hilfsmittel leider noch enger umrissen sind?
Er hat einen tollen Körper, indeed. Sie sieht aus wie die Schulfreundin meiner Tochter: ein bisschen tumb, zu dünn, komische Frisur, Haare in den Augen, Mädchenkleidchen. Okay, ich bin natürlich kein Mann. Die einzige Szene, wo sie mir so etwas wie Respekt abverlangt, ist die, wo sie die libidinöse Architekten in ihre Schranken weist - er kann sich ja kaum wehren Trotzdem: Ganz glauben kann man Ana das nicht. Wer würde sich von der etwas sagen lassen? Andererseits ist auch die Architektin wieder nicht so, wie man sich eine gestandene Geschäftsfrau vorstellt. Aber wieso sollten die Charaktere auch Biss haben.
Der zweite Teil des Films hat mir eigentlich ganz gut gefallen. Latent witzig, ein bisschen spannend. Christian sah aus wie jemand, der wusste was er will. Und, wie gesagt, die Mucke ist toll.
Im dritten Teil ist er dann auch einfach nur noch ein Kerl. Bisschen unentschlossen, wenig Durchblick und richtig zur Sache geht's auch nicht. Das Beste am Film ist das supersexy Plakat … ein Schelm, wer davon auf ordentlich Geknister in der Handlung schließt. Achtung, Spoiler: in 98 % der Filmlaufzeit keins da!
Stattdessen: heile Welt. Alle helfen sich so schön. Noch immer weiß kein Schwein, was eigentlich los ist mit dem Christian, aber dafür wird plötzlich auf bürgerlich gemacht: Noch mehr (sichere) Autos. Ein Haus (inclusive Nachhaltigkeitspflichttext und Heimwerkerbemühungen), ein Kind, nein, huch, zwei.
Da kann ich ja auch einen deutschen Krimi gucken.
Mein Hauptproblem mit diesem Thema ist: Niemand, der bei Verstand ist, will solche dunklen Seiten eines Menschen kennenlernen. Erst recht nicht als Frau.
Geduld und Liebe heilen keine Persönlichkeitsstörung.
Mädels: Sucht euch keinen Durchgeknallten!
Bei Anzeichen von Stalking sofort das Weite suchen!
Keine Autos als Geschenk annehmen!
Nicht solche Literaturvorlagen als Vorbild für Leben nehmen!
Nicht als 18-, 20-Jährige nach Typen mit Macke Ausschau halten!
Psycho-Macken sind NICHT sexy! Pfui! Aus! Im echten Leben kommt man aus solchen zersetzenden Beziehungen nicht heil raus.
Vieles bleibt unbeantwortet. Der Lover der Hure? Die Hunger-Bekämpfungsstrategie? Und warum hat er die Peitschen ausgelagert? Wenn seine Haut Blasen warf, wo sind die Narben? Offene Handlungsstränge? Egal! Die Leserinnen sind a) zu doof, das zu merken, b) eh auf den vermeintlich heißen Sex fixiert.
Das Fatale ist: 50SoG hat massenhaft Nachwuchsautoren dazu angestiftet, ähnlichen Schrott zu schreiben. 50SoG ist die Geburtsstunde aller bad boys, aller Milliardäre, aller BDSM-Schwerenöter, und natürlich aller CEOs.
Es gibt so viele tolle Berufe auf der Welt (ein Manager gehört für mich nicht dazu; die sind ja permanent gestresst und burn-out-bedroht).
Es gibt auch wahnsinnig viele tolle Wörter auf der Welt. Zum Beispiel die, mit denen man sexuelle Spielarten benennt. Oder Formen von Gewalt. Stichwort: verdreschen. Im Netz regen sich Frauen auf, weil er Ana so verdroschen hat. Mädels. Verdreschen ist etwas ganz Anderes, das hat mit sechs kleinen Klapsen auf den Po nichts zu tun. Verdreschen ist, wenn man grün und blau aus der Nummer rauskommt. Wer je mit einem Missbrauchsopfer in der Notaufnahme gesessen hat, weiß, was gemeint ist. Das, was Grey da veranstaltet, als Verdreschen zu bezeichnen, finde ich zynisch gegenüber den Frauen, die das wirklich erdulden müssen. Oder wollen. Ist ja egal, nur mit Frau James Welt hat das alles nichts zu tun. Man gebraucht ja auch lieber den dämlichen Terminus Versohlen.
Aber von Blümchen-Sex reden.
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