Streit.
Neben dem üblichen Gejammer wegen der Perspektive („ich lese aber lieber Bücher in der Ich-Form“) beklagen sich Test-, Rezi- oder Leserundenleser bei mir fast immer darüber: „Es wird so viel gestritten!“
Stimmt. In meinen Büchern dauert es, bis Männlein und Weiblein sich kriegen. Und zuvor wird sich gefetzt.
Stimmt nicht. Ist es wirklich ein Streit? Ist das ein Hin und Her, das dem Spannungsbogen dient? Oder wird hier ein Konflikt bearbeitet? Wie sonst sollte man Konflikte ab- oder bearbeiten, wenn nicht durch das Austragen einer Meinungsverschiedenheit?
Wikipedia: Streit (…) ist das offene Austragen einer Meinungsverschiedenheit zwischen zwei oder mehreren Akteuren, Personen (…) die nicht immer offenkundig und nicht notwendigerweise stets feindselig sein muss, oft aber auch (im Gegensatz etwa zur neutraleren Diskussion) von emotionalen Elementen begleitet oder getragen werden kann.
Ursache eines Streits sind oft soziale Rahmenbedingungen; dazu zählen Interessenkonflikte zwischen Einzelnen (…) sowie anhaltende Rivalitäten. Dabei spielen in der Regel unterschiedliche oder nicht vereinbarte Orientierungen – Bewertungen oder Handlungsplanungen – im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt eine zentrale Rolle.
Der offene Ausbruch eines Streits wird von persönlichen Merkmalen wie Eifersucht, Hass, Neid und Ruhmsucht eingefärbt und bedarf eines Anlasses. Dabei können diese Anlässe so gewichtig wie nichtig sein. Voraussetzung für einen Streit ist auch die innere Bereitschaft der Akteure, einen Streit zu führen, d. h. zu „streiten“.
Hauptmerkmal von Streit ist: fehlende Neutralität, das Einnehmen einer Position, man will etwas durchsetzen oder seinen Standpunkt vermitteln.
Guterzogene Mitteleuropäer (oder US-Amerikaner) halten üblicherweise eine gewisse Streitkultur ein, die einem den gegenseitigen Respekt erhält und es einem erlaubt, das Gesicht zu wahren. Der Ton macht die Musik, und Streit ist eben nicht gleich Streit.
Wahrscheinlich ist das wieder so ein Berufsding: Kann sein, dass ich das einfach anders sehe als der Rest der Bevölkerung (ich sollte mal einen Beitrag machen darüber, was ich alles anders sehe als der Rest der Bevölkerung. Erstaunen garantiert!)
Es gibt Streitereien, die führen zu Körperverletzung, Mord oder Krieg. Die schlimmsten Streitereien habe ich bei Jugendlichen erlebt: Es geht um NICHTS, aber man fetzt sich bis aufs Messer.
In meinen Büchern geht es um intelligente Erwachsene, nicht um Teenies. 40jährige streiten anders als 20jährige, und 60jährige lachen darüber, was 30jährige umtreibt. Die Dinge, um die man streitet, ändern sich im Laufe des Lebens.
Streitereien, bei denen es um nichts geht, sind albern. Das ist Sechste-Klasse-Niveau.
Alternativ kann man Konflikte auch einfach mal aushalten, aber bitte ohne die Probleme zu verschleppen. Streit kann befreiend sein, und Versöhnung ist oft das beste daran.
Wer sich nah ist, reibt sich aneinander. Manche Dinge muss man aussprechen, und Dinge emotional auszusprechen, macht aufgeregt. Paare, die das können - und die sich hinterher trotzdem noch lieben - führen nach meiner Meinung die besseren Beziehungen. Leidenschaft, Gefühle sind nicht harmonisch und leise, jedenfalls nicht für mich, und manchmal schießt man auch übers Ziel hinaus. Wir sind Menschen, keine Schachcomputer. Harmoniesüchtige sind sicher nette Zeitgenossen, aber ich frage mich dauernd: wie halten die das aus? Warum rummst es da nicht mal ordentlich? Was schlucken die sonst noch so? Warum gibt die/der immer nach? Ist es ihm/ihr nicht wichtig genug? Und vielleicht sogar, nach entsprechend langer Feldforschung: Lieben die sich eigentlich?
Konflikte gibt es überall. Gewitter reinigen die Luft, und man darf auch mal heulen, oder nicht?
Über Aussitzen, Aushalten und Problemlösung wie in der Psychologievorlesung kann man lang und breit schreiben. Über Kämpfe, körperliche Wut und krachende Debatten schreibt es sich aber besser (Nur noch mal zum Verständnis: es geht nicht darum, jemanden in Grund und Boden zu rammen oder gar physische Gewalt auszuüben).
Und besonders gut schreibt es sich über epische Streits, die große Gefühle innehaben. Und die im Bett enden. Oder was sollen die beiden sonst machen? Sich nachher die Hand geben und sagen "wie toll, dass wir uns verstanden haben"?! Sie machen eine Entwicklung durch. Die besteht aber nicht darin, sich um kleinlichen Mist zu fetzen und insgesamt keine Power zu haben. Streiten ist anstrengend und belastend. Darüber zu lesen muss daher auch anstrengend und belastend sein. Oder etwa nicht? Weichgespülte Partnergespräche sind euch lieber? Sucht euch einen Mediator.
Kennt ihr das, wenn euer Partner euch zur Weißglut treibt mit irgendwelchen Halsstarrigkeiten? Was macht ihr dann? Versucht ihr, den Konflikt zu lösen? Irgendwie das Problem vom Tisch zu bekommen? Oder gießt ihr ordentlich Öl ins Feuer? Seid ihr der Typ, der jeden Scheiß schluckt? Oder sammelt ihr und haut der anderen Partei dann alles auf einmal um die Ohren, nach dem Motto: aber vorletztes Weihnachten hast du auch schon… Packt ihr ein schönes Bündel, das so schwer wiegt wie diese Findlinge, aus denen die Leute Mauern um ihre Gärten bauen? Oder arbeitet ihr Probleme ab, wenn sie frisch sind?
Heult ihr? Holt ihr aus? Werft ihr mit Tellern? Gebt ihr klein bei? Oder gebt ihr nach? Erkennt ihr noch, wenn der andere recht hat? Und geht es überhaupt um Rechthaben, oder um Gefühle? Verletzte Gefühle?
In meinem Leben gehört Streit dazu. Ich lebe quasi vom Streit der anderen, ich bin beruflich eine Art Streitschlichter. Neunzig Prozent aller Polizeieinsätze beruhen auf irgendeiner Streiterei. Nachbarn streiten, Paare, Autofahrer. Erwachsene Menschen streiten ab und zu. Man nennt das: Konflikt.
Konflikte haben unterschiedliche Gründe, die für Unbeteiligte oft unbegreiflich sind. Was, es gibt gar keine Konflikte? Ach du meine Güte, wie öde. Besonders in Büchern. Ganz besonders in meinen Büchern.
Streiten the negative way ist: Lautstärke, Gewalt, unter-der-Gürtellinie, Bösartigkeit, Häme, Beleidigungen, Sachen zerstören. Bei solchem Streit kann man nur verlieren. Vor allem das Gesicht.
Das ist die Art Streit, die gern dazu führt, dass die Polizei kommt.
Mir ist aufgefallen, dass viele Frauen eher eine Gewalttätigkeit nachvollziehen können, als Streitszenen zu lesen. Streit lässt tief blicken. Er ist unangenehm. Ist es euch lieber, ihr kriegt eine gelangt, als sich verbal auseinanderzusetzen? Warum lest ihr Bücher, in denen sich der Mann körperlich durchsetzt, lieber als eine gepflegte Meinungsverschiedenheit, die womöglich auch noch als Geplänkel durchgehen könnte?
Und ist zu viel Harmonie nicht manchmal schlimmer? Ich finde: wer Konflikte austrägt, hat ein Interesse daran, Probleme zu lösen. Dass man mit verbalen Streitigkeiten zunächst Probleme benennt und vielleicht sogar schafft, liegt auf der Hand.
Ich will über Leute mit Eiern schreiben. Solche, die ihre Meinung vertreten und sich was trauen, die Dinge hinterfragen und auch mal bewusst Ärger riskieren. Die empathisch sind. Streiten kostet Energie und ist nur dann richtig, wenn einem die Person oder die Sache am Herzen liegt. Alles andere wäre: Gleichgültigkeit. Wer bitte will über Leute lesen, die sich gleichgültig sind?
Im Roman hat man das Problem, dass es Konflikte geben muss.
Langeweile ist der Tod des Romans, aber Streit strapaziert die Lesergeduld. Also achte man darauf, wer streitet und warum gestritten wird: Es sollte schon um (lebens-)wichtige Dinge gehen, um (überlebens-)große Dinge.
Wenn Sie in Liebesromanen um lahme Alltäglichkeiten lamentieren, über den Abwasch streiten lassen oder darüber, dass der Typ das falsche Waschmittel gekauft hat, womöglich über die richtige Stellung im Bett - dann ist Ihnen nicht zu helfen, sorry.
Wenn Ihr Streit sehr wohlerzogen und wie auf dem Reißbrett konstruiert ist – Sie wissen schon, ich-Sätze, keine Vorwürfe, konstruktiv sein -, glaubt Ihnen das kein Mensch. Streiten Sie mutig, einzigartig, authentisch!
Ohne Konflikte funktioniert kein Krimi, kein Thriller, aber auch kein Liebesroman. Die Konflikte sind nur, je nach Genre, von unterschiedlicher Art und Stärke. Konflikte auf dem College sind andere als bei 48jährigen Intellektuellen. Romane ohne Konflikte will kein Mensch lesen, wozu denn auch.
Faustregel: Pro Szene ein Konflikt. Das können ganz kleine sein (Scheiße, es regnet: mein Kleid wird nass) oder große (wieso macht der nicht, was ich will?) oder ganz große (wird er mich verlassen?, unsere Beziehung ist in Gefahr) oder unüberwindbare (er hat mich betrogen/geschlagen/jemanden gekillt, alles ist aus).
Ein Roman ist kein Wunschkonzert, und normalerweise schreibt der Leser nicht mit. Kämen Sie auf die Idee, der Autorin Verbesserungsvorschläge zu machen? Hoffentlich nicht. Jemand hat ein Buch geschrieben. Er hat sich etwas dabei gedacht. Die Sache folgt einem höheren Plan. Was Ihnen „in die Länge gezogen“ vorkommt, ist an anderer Stelle womöglich der Schlüssel zum Verständnis. „Hallo, Mr Martin, musste das mit all dem Ärger da in Königsmund denn über so viele Runden gehen? Kürzen Sie das ab, bitte. Und wieso ist diese Cersei denn so eine Zicke? Kann sie nicht freundlich sein? Man würde sie viel mehr mögen!“
„Hallo, Mrs Mitchell, könnten sie das Ende bitte nochmal umschreiben? Scarlett sollte nicht so ein Biest sein, und Rhett soll sich mal nicht so anstellen. Man würde sie viel mehr mögen!“
„Hallo, Miss Austen, finden Sie nicht, dass Darcy und Elisabeth schon viel früher zusammenkommen müssten? Was soll denn dieses langatmige Hin und Her?“
Es geht nicht ums Mögen, es geht um das, was der Autor vorhat. Allzu große Längen tilgt der Lektor, und Sie wissen doch gar nicht, wie das Manuskript vor der Überarbeitung aussah. Haben Sie Vertrauen! Vertrauen Sie dem Auto, dass er weiß, wo er hin will mit seinem Text. Leser sind Konsumenten. Oder hinterfragen Sie die Rezeptur von Nutella und schicken Tipps an Ferrero? Selbstverständlich freut sich jeder Autor über Ihre Meinung, aber es ist kein Geheimnis, dass nur der jeweilige Autor diese Geschichte so schreiben konnte, wie sie geschrieben wurde.
Konflikte müssen also sein, sonst geht es nicht voran. Aber warum darf es nicht „so viel“ Streit geben? Wie kann denn der Leser beurteilen, was „zu viel“ ist? Und was soll denn stattdessen passieren? Wieso ist es für manche Leserinnen anscheinend okay, wenn der Typ der Frau eine knallt? Oder sie auf den Rücken wirft und vergewaltigt? Soll er um des lieben Frieden willens „ja, Schatz“ sagen und in die nächste Kneipe gehen? Solche „Konfliktlösung“ kommt für mich nicht in Frage, da sollen sich halt zoffen. Oder soll es gar keine Streitpunkte geben? Soll alles schick sein? Warum bitte sollte ich einen Roman schreiben über eine Beziehung, in der alles flach und nett ist?! Wenn ihr das wollt, lest „Wohlfühlromane“.
Bei mir geht es nicht ums Wohlfühlen.
Es geht aber auch nicht darum, ob jemand die passenden Schuhe zum Kleid hat, oder ob man die grüne Couch anschafft oder die blaue. Sondern um ernsthafte Probleme, die Leute haben können. Aber sie lösen sie und finden zusammen. Natürlich fühlen sich meine Paare auch miteinander wohl, ansonsten wäre ja alles völlig banane. Ich lebe nicht in einem weichgespülten Setting und hoffe (ich hoffe es wirklich!!), ihr tut es auch nicht. Streit reinigt auch mal die Luft. Und Blitz und Donner machen einen Sommer erst perfekt.
Das ist wie mit Sex. Sex soll/muss sein, sonst ist es langweilig und irgendwie unrund, aber bitte nicht zu früh, nicht zu spät, nicht zu selten, nicht zu oft, nicht zu hart und nicht zu soft, und bitte keine Klischees mehr. Genau wie Sex hat Streit nur dann einen Sinn, wenn er die Handlung des Buches voranbringt. Wenn nur noch gepoppt und nur noch gestresst wird, macht das Lesen keinen Spaß mehr – break, was Neues, bitte!
Frauen streiten weniger oft, weniger gern und weniger gut als Männer. Frauen streiten unfairer. Frauen können schlechter mit Unfrieden und mieser Stimmung umgehen. Streit ist ein Männerding, aber Frauen streiten ausdauernder und bei weitem fieser.
Wie "gut" ein Streit zu ertragen ist, kommt auf den Grund an. Und auf die Ausführung.
- Will man jemanden verletzen, ganz bewusst womöglich?
- Wurde man verletzt und will eine Revanche, womöglich sogar Rache?
- Will man sich messen? Gucken, wie weit man gehen kann?
- Streitet man aus Eitelkeit oder aus verletztem Stolz?
- Will man einen Konsens, oder es nur einfach mal krachen lassen? Ist Konsens eigentlich wirklich erstrebenswert (nicht immer, das sagt Ihnen jeder Psychologe).
- Wird der Streit womöglich nur angezettelt, um etwas Anderes zu verbergen?
- Für was ist der Streit ein Ventil, und wem nützt eigentlich welches Ergebnis?
Und um was für Charaktere handelt es sich? Sind das zurückhaltende, stille Personen? Oder leidenschaftliche, kämpferische, taffe Frauen wie Eve? Vielleicht Männer, die es schlichtweg gewohnt sind, dass man ihnen Folge leistet, so wie Mac? Menschen, die in ihrer Vergangenheit einen schrecklichen Bruch haben, der ihr Leben prägt, so wie Nick? Oder um emotionale Typen, die schon genug Mist im Leben erlebt haben und niemandem trauen, wie meine Lieblingsperson Mary?
Verhuschte Mäuschen und völlig normale Frauen streiten anders als Leute, die erkennbar einen an der Waffel haben, Suchtkranke oder Sadisten mit Hang zum Über-Ego.
Generell heißt Streit, dass die Sache ernst zu nehmen ist. Dass einem etwas wichtig ist. Dass es um etwas geht. Für mich braucht Liebe Entwicklung und Bewegung, und die darf auch durch Streit entstehen. Es dürfen nur am Ende keine Ressentiments übrigbleiben. Ich habe mehr Angst davor, dass Liebe still und heimlich stirbt, wenn man Dinge verbirgt und schluckt. Was die Geschichte dieses Paares, dass sich in meinen Büchern streitet, betrifft: warum sollte ich eine erzählen, die seicht und geradlinig ist wie ein plätschernder Bach? Hier kommt meine eigene Geschichte ins Spiel: es soll bitte krachen und Funken sprühen. Ich verliebe mich nicht in Männer, die um Nichtigkeiten fighten. Weil das kein Fight ist, sondern ein laues Lüftchen.
Streit heißt für mich nicht: Brüllen, abwerten, beschimpfen, Möbel rücken, beleidigt abrauschen.
Streit bei Megan McGary sieht so aus: Debatte. Wortgefechte. Stress. Gefühle (ja, Wut ist okay). Manchmal Wortwitz. Der Ton macht die Musik: Haben Sie wirklich den Eindruck, dass Eve und Mac sich nicht leiden können? Die Liebe siegt, der Respekt voreinander bleibt (und wächst!), und wenn die eine Sache abgehandelt ist, kommt todsicher die nächste. Meine Paare würden sich gegenseitig vor der ganzen Welt beschützen und füreinander jeden Kampf aufnehmen, und man glaubt ihnen das, weil sie es eben können: Konflikte austragen. Wir leben hier nicht im Wolkenkuckucksheim und machen einen auf Peace, wenn es ihn nicht gibt.
Aber: Niemals Gewalt, außer im eigenen Kopf. Niemals Zerstören. Niemals Beleidigungen. Niemals Angst auslösen, etwa bei Kindern.
Und wie soll das ganze enden? Versöhnung im Bett? (Warum nicht?) Reicht eine Entschuldigung? Das eigentliche Problem beim Streiten liegt meist nicht am Inhalt oder Thema des Gesprächs, sondern daran, wie miteinander gesprochen wird. Ob eine Lösung möglich ist, merkt man an der Art des Umgangs miteinander, und den gegenseitigen Respekt verlieren meine Paare niemals voreinander. Aber sie lassen sich auch nicht die Butter vom Brot nehmen. Megären und Xanthippen sind sie nicht, aber Frauen, die sich nicht viel bieten lassen.
Nachgeben ist möglich, wünschenswert und auch durchaus drin. Aber wer nur nachgibt, verliert früher oder später: Spätestens dann, wenn das eigene Selbstvertrauen in den Sturzflug übergeht, weil man merkt, dass man sich zu sehr zurücknimmt.
Streit, der mit Verlust einhergeht (von Vertrauen, von physischer Sicherheit, von Selbstwertgefühl, von Ehre) ist schlecht. Verbalinjurien sind gefährlich: Sage deinem Typen, dass er lächerlich ist, und es wird mit der Versöhnung im Bett schwierig.
Normalerweise neigen fiktive Figuren wie reale Menschen dazu, Konflikte nach Möglichkeit zu vermeiden. Streit ist unangenehm, besonders, wenn man den Kontrahenten eigentlich mit guten Eigenschaften beeindrucken will. Es gibt aber Zeitgenossen, die genießen solchen Schlagabtausch, solange er halbwegs intelligent ist, spielen sich Bälle zu, spielen miteinander wie bei einem Tennismatch. So ein Mensch bin ich: ein Debattierjunkie. Ich nehme Streitigkeiten wie andere Leute die Feste: wie sie fallen. Es darf halt nicht ausarten, siehe oben.
Wenn ein harmoniewilliger Leser auf streitbare Protagonisten trifft, denen nichts heilig ist – und besonders, wenn es sich in beiden Fällen um eine Frau handelt -, geht die Sache leicht mal schief.
Frauen sind häufig bestrebt, ein Gleichgewicht herzustellen. Viele verstehen dann beim besten Willen nicht, dass meine Protagonistin Eve an dieser Stelle nicht zurückrudern kann. Oder dass Mary ihre große Liebe zum wiederholten Mal wegstößt: Sie kann nicht, ohne zu viel von sich selbst aufzugeben (sie wird es noch lernen. Geduld ist eine Tugend.), und wenn ich als Autorin und Marionettenspielerin ihr das aufzwingen würde, wäre es nicht mehr authentisch.
Es hat etwas mit Werten zu tun und damit, welche Erfahrungen man im eigenen Leben gemacht hat.
Eves (Lebens-)Erfahrungen sind so, und Ihre sind vielleicht besser. Auf jeden Fall sind sie anders, und deshalb sind Protagonisten in Romanen in ihrem Verhalten manchmal so, dass man sie gern treten, schubsen und hinter die Ohren hauen möchte.
Manchmal habe ich Manuskripte im Lektorat, die mir echt gut gefallen.
Bis – ja, bis der charismatische Typ / die starke Frau mit ihrer Entwicklung fertig ist und mutiert. Zu einem, mit dem man höchstens noch den Boden aufwischen kann (passiert ganz oft nach der Bekehrung durch die einzige Frau, die den Typen retten kann, YA/NA-typisch). Zu einer, die so ist wie alle anderen (passiert ganz oft in Frauenromanen: die Heldin retardiert irgendwie).
Autoren sind gut beraten, wenn sie für etwas Bestimmtes stehen. Wenn Leser sich auf gewisse Dinge verlassen können. Autoren, die gewisse Standards pflegen, finden Leser, die genau das suchen. Es geht um eine bestimmte Atmosphäre, die in den Büchern herrscht. Ich schreibe über starke, ehrenvolle Charaktere mit mindestens einem verborgenen Knacks und der Schwierigkeit, für sowas den passenden Partner zu finden. Dass das nicht ohne Machtkämpfe abgeht, ist sicher spätestens jetzt klar.
©megmcgary2021
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